Angestellt oder Selbstständig? Scheinselbstständigkeit und Statusfeststellung mit Bezug zur Kreativbranche


arbeitnehmer oder selbstständiger - übersicht, einzelne berufsbilder und bezug zur künstlersozialkasse




grundsätzliches zur statusfeststellung

Die Frage nach dem richtigen Status (Angestellter oder Selbstständiger) ist sowohl im Zusammenhang mit Prüfungen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) als auch der Künstlersozialkasse (KSK) relevant.

 

In der Regel ist die Statusfeststellung in den folgenden Zusammenhängen von Bedeutung:

  • Verdacht auf Scheinselbstständigkeit bei freien Mitarbeitern (Freelancer) und damit eine mögliche Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen.
  • Als Mitglied der KSK bzw. beim „KSK-Antrag“, also der Prüfung, ob Versicherungspflicht nach dem KSVG besteht.
  • Als Gesellschafter einer (Kreativ-)GmbH im Hinblick auf die Künstlersozialabgabe (mehr hierzu unter diesem Link).
  • Vermehrt auch bei Influencern bzw. Content Creatoren im Hinblick auf ihre Mitarbeiter.

 

Die DRV führt durch Ihre Clearingstelle das sogenannte Statusfeststellungsverfahren (nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV) auf prinzipiell freiwilliger Basis durch.

 

Außerdem finden Überprüfungen im Rahmen der Betriebsprüfungen der DRV statt.

 

Unter diesem Link gibt es allgemeine Tipps zu diesen Verfahren.

 

wann ist man selbstständig und wann angestellt?

1.     Grundsätzlich gilt man als Angestellter, wenn ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt.

 

Für eine solche Beschäftigung ist die persönliche Abhängigkeit zwischen dem Arbeitgeber und dem Mitarbeitenden eine wichtige Voraussetzung. Eine solche Abhängigkeit liegt vor, wenn die beschäftigte Person weisungsgebunden ist hinsichtlich

  • Ort der Ausführung,
  • Art der Ausführung sowie
  • Zeit und Dauer

der Arbeit.

 

Außerdem muss eine Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers vorliegen. Unter Eingliederung versteht man dabei jede Form der Arbeitsorganisation.

 

Der Arbeitsvertrag eines Angestellten sieht in der Regel Arbeitszeiten, Urlaubszeiten, Einsatzort, Arbeitsentgelt, Gehalt bei Krankheit und eine Regelung zur Probezeit vor.

 

Als Angestellter ist man gegenüber seinem Arbeitgeber weisungsgebunden und es besteht eine Treupflicht. Soweit Aufgaben zumutbar sind, muss ein Angestellter sie übernehmen. Er hat grundsätzlich keine Entscheidungsfreiheit, ob er eine Aufgabe übernehmen will. Natürlich gibt es hier je nach Aufgabenbeschreibung und Position auch Grenzen.

 

2.     Als Selbstständiger gilt man, wenn man

  • ein eigenes unternehmerisches Risiko trägt,
  • eine eigene Betriebsstätte unterhält
  • sowie die Zeit der Tätigkeit und Arbeitszeit frei wählen und gestalten kann.

 

In der Regel schließt ein Selbstständiger mit seinem Auftraggeber einen Werkvertrag (§ 631 BGB) oder Dienstvertrag (§ 611 BGB). Auch Mischformen dieser Vertragsarten sind gängig und können, wie die meisten Verträge, mündlich oder schriftlich geschlossen werden.

 

Meist sind Termine (z.B. Fertigstellung), Art der Tätigkeit und Bezahlung Gegenstand einer solchen Vereinbarung.

 

Wichtig ist, dass der Selbstständige im Einzelfall entscheiden kann, ob bzw. zu welchen konkreten Konditionen er einen Auftrag übernimmt. Er steht insofern nicht in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis, wie es ein Angestellter tut.

 

die kriterien im einzelnen

Entscheidend sind immer die Umstände des Einzelfalls. Die Rechtsprechung berücksichtigt hier eine Reihe von Kriterien, die zur Beurteilung herausgebildet wurden.

 

Hier eine Übersicht der wichtigsten Kriterien:

 

1. Was spricht für eine Selbstständigkeit?

  • Tätigkeit für mehrere Auftraggeber.
  • Es werden eigene Mitarbeiter beschäftigt, an die Aufgaben delegiert werden und denen gegenüber eine eigene Weisungsbefugnis hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Leistung besteht.
  • Es ist ein Gewerbe angemeldet bzw. es gibt eine Eintragung in das Handelsregister (hierbei handelt es sich allerdings um ein eher schwaches formales Merkmal)

2. Was spricht für eine abhängige Beschäftigung also für einen Angestellten?

  • Der Auftraggeber erteilt mehr oder weniger kleinteilige Weisungen, denen Folge geleistet werden muss.
  • Es gibt Regelungen zur Arbeitszeit und zu Urlaubszeiten.
  • Die Arbeiten müssen persönlich ausgeführt werden und dürfen nicht delegiert werden.
  • Aufgaben können nicht ohne weiteres abgelehnt werden.
  • Die Arbeit wird in den Räumen des Auftraggebers verrichtet.
  • Es ist in relativ kurzen Abständen Bericht zu erstatten.
  • Es sind bestimmte Arbeitsmittel zu benutzen (z.B. Software), die evtl. sogar vom Auftraggeber gestellt werden.
  • Abarbeiten von Aufgabenlisten.
  • Es müssen bestimmte Vorgaben erreicht werden.
  • Es gibt Provisionsregelungen.

 

konkrete konstellationen

freelancer in werbeagenturen

Werbeagenturen greifen häufig auf freie Mitarbeiter zurück, wenn die Arbeitsbelastung entsprechend hoch ist. Soweit dies nur auf Projektbasis geschieht, also z.B. für ein bestimmtes Projekt eines bestimmten Kunden, ist es in der Regel unproblematisch.

 

Werden dieselben Freelancer allerdings für längere Zeiträume, und in verschiedenen Projekten, eingesetzt, könnte der Verdacht einer Scheinselbstständigkeit entstehen.

 

Die o.g. Punkte sollten bei der Ausgestaltung der Tätigkeit beachtet werden, damit man die Situation soweit es geht optimiert. Problematische Punkte (Gründe für eine Scheinselbstständigkeit) sind erfahrungsgemäß:

  • Die Nutzung gemeinsamer Software.
  • Der Freelancer arbeitet in der Betriebsstätte des Auftraggebers.
  • Der Freelancer hat eine E-Mail-Adresse des Auftraggebers.
  • Der Freelancer nimmt stets an regelmäßigen Meetings teil.
  • Für Außenstehende ist kein Unterschied zwischen dem Freelancer und einem Angestellten erkennbar.

 

ksk-mitglied bzw. antrag bei der ksk

Die KSK schaut bei der Prüfung, ob Versicherungspflicht nach dem KSVG besteht, auch genau darauf, ob die Tätigkeit in Selbstständigkeit ausgeübt wird. Wird nur oder ganz überwiegend (mehr als 2/3 der Umsätze) für einen Auftraggeber gearbeitet, kann es sein, dass die KSK eine Scheinselbstständigkeit annimmt und deshalb eine Versicherungspflicht ablehnt.

 

Auch haben Schauspieler es in der Regel schwer beim KSK-Antrag, da sie oft nicht als Selbstständige gelten.

 

selbstständig als schauspieler oder bühnenkünstler?

Schauspieler und Bühnenkünstler, die im Rahmen einer Film- bzw. Serien, TV- oder Theaterproduktion in entsprechende Abläufe eingebunden sind, werden in der Regel für den Zeitraum dieser Beschäftigung als Angestellte gesehen.

 

Als Selbstständige werden Schauspieler gesehen, wenn sich die Tätigkeit im Wesentlichen im Bühnenauftritt erschöpft und lediglich Rahmenvorgaben hinsichtlich Ort und Zeit der Aufführung sowie des "groben" Inhalts der Darbietung, innerhalb derer die übernommene Dienstleistung zu erbringen ist, zu beachten sind (BSG, Urteil vom 14.03.2018 – B 12 KR 3/17).

 

In der Praxis werden meist Schauspieler die (evtl. auch nur zeitweise) zu einem festen Ensemble gehören, jedenfalls als Angestellte gesehen. Diese sind meist in feste Proben- und Spielpläne eingebunden. Gastschauspieler bzw. Gastkünstler, die lediglich einzelne Auftritte absolvieren, werden hingegen in der Regel als Selbstständige gesehen.

 

influencer (Creator economy)

Influencer werden, soweit sie nicht direkt in das Unternehmen ihres Werbekunden eingebunden sind, in der Regel relativ unproblematisch als Selbstständige betrachtet.

 

Bei den sogenannten „Corporate-Influencern“, also Angestellten, die für Ihren Arbeitgeber als Markenbotschafter (z.B. auf LinkedIn, Meta oder TikTok) aktiv sind, bestehen indes meist andere Rahmenbedingungen.

 

Ansonsten haben die Influencer selber regelmäßig das Problem, dass ihre (freien) Mitarbeiter bei Prüfungen der Rentenversicherung als Angestellte angesehen werden. Letztlich sind bei einer solchen Prüfung alle in diesem Artikel genannten Punkte zu beachten, wenn ein bestimmtes Ergebnis erzielt werden soll. Eine individuelle Rechtsberatung kann hier erfahrungsgemäß sinnvoll sein.

 

gesellschafter(-Geschäftsführer) einer gmbh - selbstständig oder angestellt?

Hier geht es für die Beurteilung zunächst um die Gesellschaftsanteile, die ein Gesellschafter hält. Ab 50% Gesellschaftsanteilen gibt es quasi keine Möglichkeit mehr, dass ein Gesellschafter, im Rahmen seiner Tätigkeit für die Gesellschaft, als Angestellter gelten kann.

 

Hintergrund hierfür ist, dass mit einer solchen Beteiligung stets maßgeblich Einfluss auf Entscheidungen der Gesellschaft genommen werden kann. Es fehlt damit ein Dienstherr. Der Gesellschafter ist in einer solchen Konstellation stets „sein eigener Chef“ und damit selbstständig.

 

Bei Beteiligungen unterhalb von 50% kommt es darauf an, ob eine wirksame Sperrminorität vereinbart ist. Hier ist insbesondere die Rechtsprechung des BSG zur „echten“ Sperrminorität zu beachten (BSG, Urteil vom 01.02.2022 – B 12 KR 37/19 R).

 

Etwas komplizierter wird es in Fällen der sogenannten „mittelbaren Beteiligung“ von Gesellschaftern. Also, wenn ein Gesellschafter z.B. 50% der Anteile einer Gesellschaft hält, die wiederum 50% der zu beurteilenden Gesellschaft hält.

 

Eine „mittelbare” (von der Beteiligung an einer anderen Gesellschaft abgeleitete) Rechtsmacht ist dabei laut BSG nur beachtlich, wenn sie ihrerseits im Gesellschaftsrecht wurzelt, also durch Gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt ist und unmittelbar auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis durchschlägt.

 

Entscheidend ist hier letztlich, ob dem (Gesellschafter-)Geschäftsführer selbst und unmittelbar eine ausschlaggebende Einflussnahme auf die Gesellschafterbeschlüsse der von ihm geführten Gesellschaft möglich ist oder er zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann (BSG, Urteil vom 08.07.2020, B 12 R 26/18 R).

 

manager

Vor allem bei Influencern und kommerziell erfolgreichen Musikern kommt es erfahrungsgemäß vor, dass ein Manager zeitweise nur für einen Klienten arbeitet. Auch hier kann sich das Problem der Scheinselbstständigkeit ergeben.

 

Um das zu vermeiden ist es wichtig, dass der Manager möglichst:

  • In seinem eigenen Büro arbeitet,
  • eigene Mitarbeiter beschäftigt und
  • eigenverantwortlich arbeitet, also nicht direkt an Weisungen des Auftraggebers gebunden ist.

Natürlich sind auch alle weiteren hier aufgeworfenen Punkte zu beachten.

 

veranstaltungsbranche (musikveranstaltung, theater, festival etc.)

Das Problem in der Veranstaltungsbranche ist, dass Freelancer im Prinzip immer in den Betrieb ihrer Auftraggeber eingebunden sind.

 

Natürlich muss man als Tontechniker oder Aufbauhelfer zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort arbeiten. Hier fokussiert sich die Frage, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, dann auf die übrigen Punkte. Z.B.:

  • Wird (zumindest auch) eigenes Arbeitsgerät benutzt?
  • Ist der Mitarbeiter stets direkt (also quasi auf Zuruf) weisungsgebunden?
  • Wird im Prinzip jeder Auftrag angenommen oder werden auch Aufträge abgelehnt?

existenzgründer

Für den Zeitraum des Erhalts eines Gründungszuschusses der BAA, gilt man immer als Selbstständiger.

 

fazit

Für die Beurteilung, ob jemand als Selbstständiger oder als Angestellter gilt, ist immer die Gesamtschau der individuellen Gegebenheiten entscheidend. Das Bundessozialgericht stellt immer wieder klar, dass sowohl eigenen Umstände des Mitarbeiters wie auch die Beziehung zum Dienstherrn bzw. Auftraggeber eine Rolle spielen.


(Der Artikel soll lediglich der Orientierung dienen. Für eine ordentliche Rechtsberatung, wenden Sie sich an unsere Kanzlei.)