bundessozialgericht, urteil vom 27.04.1996 (3 RK 10/95)


tatbestand

 

Streitig ist die Höhe der von der Klägerin nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) zu entrichtenden Künstlersozialabgabe (KSA).

 

Die Klägerin gibt Tageszeitungen heraus. Die beklagte Künstlersozialkasse veranlagte sie als Presseverlag zur KSA und gab ihr auf, die Entgeltzahlungen an Künstler und Publizisten für selbständig erbrachte künstlerische und publizistische Leistungen jährlich zu melden (Bescheid vom 23. März 1983). Die Klägerin ordnete in ihren jährlichen Meldungen sämtliche Honorarzahlungen für Text- und Bildbeiträge ausnahmslos dem in § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVGDV) umschriebenen Bereich „Wort“ zu. Für den von § 2 Abs. 2 KSVGDV erfaßten Bereich „bildende Kunst“ gab sie jeweils „Null-Meldungen“ ab. Aufgrund einer Betriebsprüfung bei der Klägerin nahm die Beklagte für die Jahre 1988 bis 1992 eine Neuberechnung der KSA vor. Sie ist der Meinung, die von der Klägerin als „Bildhonorare“ verbuchten Vergütungen seien dem - seit 1989 mit einem im Vergleich zum Bereich „Wort“ höheren Vomhundertsatz für die KSA belasteten - Bereich „bildende Kunst“ zuzuordnen; denn die Tätigkeit eines Fotografen gehöre nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 KSVGDV zur bildenden Kunst. Die Klägerin wandte sich gegen die im Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 1993 angeordnete Nachzahlung der KSA von 116.078,93 DM und die geforderten Vorauszahlungen der KSA ab 1993 für den Bereich „bildende Kunst“. Die Tätigkeiten der Bildjournalisten, Bildberichterstatter und Pressefotografen seien unter dem Oberbegriff „Bildjournalismus“ der Publizistik und damit dem Bereich „Wort“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 KSVGDV) zuzuordnen. Nur die künstlerische Fotografie gehöre zur bildenden Kunst. Ihr Widerspruch blieb jedoch erfolglos (Bescheid vom 16. Juli 1993).

 

Das Sozialgericht (SG) und das Landessozialgericht (LSG) sind der Argumentation der Klägerin gefolgt und haben der Klage auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides stattgegeben (Urteil des SG vom 9. März 1994) bzw. die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Beschluß des LSG vom 29. März 1995).

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der Vorschriften des § 26 Abs. 1 KSVG und des § 2 Abs. 2 Nr. 7 KSVGDV. Der Bildjournalismus und die Bildberichterstattung seien nur dann publizistische Tätigkeiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 KSVGDV, wenn es um mit Fotos ergänzte Texte für Zeitungen und Zeitschriften gehe, die schreibende Tätigkeit also im Vordergrund stehe.

 

Die Beklagte beantragt,

den Beschluß des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. März 1995 und das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 9. März 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Sie verteidigt die Entscheidungen der Vorinstanzen.

entscheidungsgründe

 

Die Revision der Beklagten ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Der angefochtene Neuberechnungs- und Nachforderungsbescheid ist rechtswidrig.

 

Dieser Bescheid hat die bindend gewordenen KSA-Bescheide der Beklagten vom 15. Juni 1989 (für das Jahr 1988), 22. Mai 1990 (für 1989), 25. Mai 1991 (für 1990), 14. Mai 1992 (für 1991) und 11. März 1993 (für 1992) durch die Zuordnung der Bildhonorare zum Bereich „bildende Kunst“ geändert, aufgrund der ab 1989 hierfür höheren Vomhundertsätze (1988 für die Bereiche „Wort“ und „bildende Kunst“ jeweils 5,0 %, 1989 4,4 bzw. 6,0 %, 1990 3,8 bzw. 6,5 %, 1991 1,7 bzw. 7,0 % und 1992 0,0 bzw. 2,0 %) zu einer Nachforderung von 116.078,93 DM geführt sowie Vorauszahlungen der KSA für den Bereich „bildende Kunst“ angeordnet. Zu der für die Klägerin negativen Änderung (Teilaufhebung) ihrer früheren Bescheide war die Beklagte nicht berechtigt, weil die vorgenannten, die Klägerin insoweit begünstigenden jährlichen Festsetzungsbescheide rechtmäßig sind. Die KSA ist in diesen Bescheiden dem Grunde und der Höhe nach korrekt festgesetzt worden. Die nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSVG abgabepflichtige Klägerin hat zu Recht sämtliche als „Bildhonorare“ verbuchten Vergütungen, die sie an selbständige Bildjournalisten, Bildberichterstatter, Pressefotografen und sonstige Fotos und Bildberichte liefernde freie Mitarbeiter gezahlt hat, dem Bereich „Wort“ zugeordnet.

 

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 KSVG in der seit dem 1. Januar 1989 geltenden, hier für die ab 1989 streitige Höhe maßgeblichen Fassung des KSVG-Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2606) sind Bemessungsgrundlage der KSA die Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen, die ein nach § 24 Abs. 1 oder 2 KSVG zur Abgabe Verpflichteter im Rahmen der dort aufgeführten Tätigkeiten oder ein in § 24 Abs. 3 KSVG genannter Dritter im Laufe eines Kalenderjahres an selbständige Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nach diesem Gesetz nicht versicherungspflichtig sind. Der Vomhundertsatz der KSA ist nach § 26 Abs. 1 Satz 1 KSVG 1989 getrennt nach den Bereichen Wort, bildende Kunst, Musik und darstellende Kunst so festzusetzen, daß das Aufkommen (Umlagesoll) zusammen mit den Beitragsanteilen der Versicherten und dem Bundeszuschuß ausreicht, um den Bedarf der Künstlersozialkasse in dem jeweiligen Bereich für ein Kalenderjahr zu decken. Eine vergleichbare, nach den genannten vier Kunstbereichen getrennte Festsetzung der Beitragssätze zur KSV war für die Zeit ab 1983 auch bereits in § 26 Abs. 1 KSVG in der ursprünglichen Fassung des KSVG vom 27. Juli 1981 (BGBl I S 705) vorgesehen. Aufgrund der Ermächtigung zur näheren Regelung des Verfahrens über die Ermittlung der einzelnen Vomhundertsätze sowie der Form und des Inhalts der von den Abgabepflichtigen zu führenden Aufzeichnungen durch Rechtsverordnung (§§ 26 Abs. 1 Satz 2 und 28 Satz 3 KSVG) hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die KSVGDV vom 23. Mai 1984 (BGBl. I S. 709) erlassen und dabei Differenzierungen nach den in § 26 KSVG genannten vier Kunstbereichen vorgenommen.

Der in § 26 Abs. 1 KSVG genannte Bereich Wort erfaßt in Abgrenzung zu den übrigen drei Bereichen der Kunst das gesamte Feld der Publizistik. Dies ergibt sich zwingend aus einem Vergleich der Regelungen in den §§ 2 und 26 KSVG. Das KSVG spricht in § 26 von den Bereichen Wort, bildende Kunst, Musik und darstellende Kunst, in § 2 von Musik, darstellender Kunst, bildender Kunst und Publizistik. Die Begriffe sollen jeweils den gesamten Anwendungsbereich des KSVG abdecken. Diese Zielsetzung erfordert es, die Begriffe Wort und Publizistik inhaltsgleich zu verstehen, da die jeweils viergliedrigen Aufzählungen in den übrigen drei Begriffen übereinstimmen. Bedenken der Revision gegen die Gleichsetzung und die daraus folgende inhaltsgleiche Auslegung der Begriffe Bereich Wort und Publizistik sind daher nicht gerechtfertigt.

 

Die Regelungen des KSVG verdeutlichen jedoch nur unzureichend, welche Tätigkeitsbereiche der Gesetzgeber zur Publizistik zählt und wie im Einzelfall eine Abgrenzung gegenüber den übrigen drei Bereichen der Kunst vorzunehmen ist. Hierzu wird in § 2 KSVG lediglich gesagt, Publizist i.S. dieses Gesetzes sei jede Person, die als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch tätig ist. Auf eine weitergehende Definition publizistischer oder künstlerischer Tätigkeit hat der Gesetzgeber bewußt verzichtet. Dazu heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 260/79, S. 21 und 9/26, S. 18): „Es wird darauf verzichtet, im Wege der Aufzählung von Berufsbezeichnungen die künstlerische oder publizistische Tätigkeit im einzelnen zu definieren. Einer solchen Aufzählung steht die Vielfalt, Komplexität und Dynamik der Erscheinungsformen künstlerischer und publizistischer Berufstätigkeit entgegen. Es wird jedoch davon ausgegangen, daß jedenfalls die im Künstlerbericht der Bundesregierung erfaßten Berufsgruppen (BT-Drucks. 7/3071, S. 7) sowie alle im Bereich Wort tätigen Autoren, insbesondere Schriftsteller und Journalisten, in die Regelung einbezogen sind. Von jeder Abgrenzung nach der Qualität der künstlerischen und publizistischen Tätigkeit ist abgesehen worden, wie das auch schon bei den bislang pflichtversicherten selbständigen Künstlern der Fall war. Für die soziale Sicherung kann lediglich das soziale Schutzbedürfnis maßgebend sein.“

 

Das in freien künstlerischen und publizistischen Berufen in der Regel anzunehmende soziale Schutzbedürfnis und die in § 2 KSVG normierte Einbeziehung aller sonstigen publizistischen Tätigkeiten (neben Schriftstellerei und Journalismus) läßt den Schluß zu, daß der Begriff des Publizisten weit auszulegen ist (vgl. BSG SozR 5425 § 2 Nr. 1 für einen nebenberuflichen Umbruchredakteur). Im Künstlerbericht der Bundesregierung (BT-Drucks. 7/3071, S. 7) sind Bildjournalismus, Bildberichterstattung und Pressefotografie als in den Schutzbereich der geplanten Künstlersozialversicherung (KSV) einzubeziehende Tätigkeiten aufgeführt. Der Bereich Fotografie ist dort unterteilt in die Berufsgruppen Foto-Designer, zu denen die Tätigkeiten als künstlerischer Fotograf, Lichtbildner, Werbefotograf und Kameramann gezählt wurden, sowie Bildjournalisten mit den Tätigkeiten als Bildberichterstatter und Pressefotograf.

Bei der gebotenen weiten Auslegung des Begriffs der Publizistik unterfällt diesem Bereich auch der „Bildjournalismus“ mit den Tätigkeiten als Bildjournalist, Bildberichterstatter oder Pressefotograf. Der Vorschrift des § 2 KSVG läßt sich keine Beschränkung auf Wortautoren entnehmen (Schmidt, ZfS 1988, 161, 165). Zum Begriff des Journalisten gehört nicht die Begrenzung auf Wortbeiträge. Journalistisch tätig ist, wer Informationen über das Zeitgeschehen in allen seinen Erscheinungsformen sammelt, darstellt oder würdigt. Darstellung oder Würdigung in sprachlicher Form bilden zwar die Regel; Fotografen, die sich mit aktueller Bildberichterstattung befassen, werden jedoch gleichfalls in journalistischer Weise publizistisch tätig. Ob sie ihre Bildbeiträge schriftlich durch selbst konzipierte Texte erläutern, ist dabei unerheblich (Schmidt, ZfS 161, 166). So sieht es nicht nur das Einkommensteuerrecht (Schmidt-Osten, Das Steuerrecht der Presse, 1984, S. 12 m.w.N.). Es muß auch im vorliegenden Zusammenhang gelten. So ist es bezeichnend und folgerichtig, daß die Bilderdienste, für die Bildberichterstatter und Pressefotografen sehr häufig arbeiten, in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSVG mit der Formulierung „Presseagenturen (einschließlich Bilderdienste)“ als Sonderform der Presseagenturen angesehen werden. Sie werden damit dem Journalismus und der Publizistik zugeordnet und nicht etwa als Form eines künstlerischen Unternehmens behandelt. Zur Publizistik gehört grundsätzlich jede Tätigkeit zur textlichen oder bildlichen Gestaltung von Massenkommunikationsmitteln (Finke/Brachmann/Nordhausen, Komm zum KSVG, § 24 RdNr. 44, 46; BSG SozR 5425 § 2 Nr. 1 für die textliche Gestaltung einer Zeitschrift; Bröckel, KSVG S. 64).

Die Einbeziehung des Bildjournalismus und der Pressefotografie in den Bereich Wort/Publizistik wird bestätigt durch § 2 KSVGDV. Selbständige Tätigkeiten als Bildjournalist, Bildberichterstatter und Pressefotograf werden von § 2 Abs. 1 KSVGDV erfaßt und einheitlich dem Bereich Wort zugeordnet.

 

Die vom Verordnungsgeber in der KSVGDV vorgenommene inhaltliche Ausgestaltung und Abgrenzung der vier Kunstbereiche ist auch rechtmäßig. Zweifel ergeben sich allerdings, ob der Verordnungsgeber hierzu bereits aufgrund der Ermächtigungen in §§ 26 Abs. 1 Satz 2 und 28 Satz 3 KSVG berechtigt war. Denn weder die Ermächtigung zur näheren Regelung des Verfahrens über die Ermittlung der einzelnen Vomhundertsätze noch die Ermächtigung zur näheren Regelung der Form und des Inhalts der vom Abgabepflichtigen zu führenden Aufzeichnungen enthält eine Definitionsbefugnis. Zur sachgerechten Durchführung der Ermächtigungen ist eine solche Definition auch nicht unabdingbar erforderlich. Jedoch hat der Gesetzgeber in hinreichend deutlicher Form die in der KSVGDV enthaltene Definition in seinen Willen aufgenommen und gebilligt.

 

Der Gesetzgeber hatte bei Einführung des KSVG selbst keinen Anlaß, sich mit der näheren Ausgestaltung und Abgrenzung der vier Kunstbereiche zu beschäftigen. Bei der Erfassung des der Abgabepflicht unterliegenden Personenkreises (§ 24 KSVG) war dies nicht nötig, weil er dort nicht auf Tätigkeiten der Publizisten und Künstler, sondern auf die üblicherweise künstlerische und publizistische Produkte und Dienstleistungen vermarktenden bzw. verwertenden Unternehmen abgestellt hat. Bei der Beitragssatzbemessung war eine detaillierte Unterscheidung der vier Kunstbereiche seinerzeit entbehrlich, weil der Beitragssatz in allen vier Sparten gleich hoch war. Bis 1988 betrug der Beitragssatz einheitlich 5 % (vgl. § 57 Abs. 3 KSVG 1981 für die Jahre 1983 und 1984, KSA-Verordnung vom 26. September 1984 <KSAbg1985V>, BGBl. I S. 1255, für 1985, § 57 Abs. 3 KSVG in der Fassung vom 20. Dezember 1985, BGBl. I S. 2474, für 1986 und 1987 sowie § 57 Abs. 3 KSVG i.d.F. vom 18. Dezember 1987, BGBl. I S. 2794, für 1988). Erst mit dem Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2606) hat der Gesetzgeber die seit jeher in den §§ 2 und 26 KSVG vorgesehene bereichsspezifische Lösung für die Abgabepflichten verwirklichen können und ab 1989 die Verordnung unterschiedlicher Beitragssätze ermöglicht. Die Beibehaltung einheitlicher Beitragssätze beruhte darauf, daß bis 1987 keine verläßlichen Daten für eine differenzierte Beitragsbemessung vorlagen. Erst im Jahr 1988 verfügte der Gesetzgeber über hinlängliches Datenmaterial. Diese Daten fußten auf den Meldungen der abgabepflichtigen Personen und Unternehmen über die Honorarzahlungen an Künstler und Publizisten für selbständige Tätigkeiten in den Bereichen Wort, bildende Kunst, Musik und darstellende Kunst entsprechend § 2 KSVGDV und den dort aufgeführten Tätigkeitsbeschreibungen und -abgrenzungen. Durch die Übernahme des nach Maßgabe des § 2 KSVGDV gewonnenen Zahlenmaterials in das Gesetzgebungsverfahren (vgl. BT-Drucks. 11/2964, S. 13 und BT-Drucks. 11/2979, S. 8) und den erneuten Verzicht auf eine nähere Abgrenzung der vier Kunstbereiche in den §§ 2 und 26 KSVG hat der Gesetzgeber spätestens 1988 zu erkennen gegeben, daß er die Regelungen des Verordnungsgebers in § 2 KSVGDV billigt. Außerdem hat er die KSVGDV im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands mit Wirkung ab 1. Januar 1991 auch für das Beitrittsgebiet in Kraft gesetzt (vgl. Anl. I Kap. VIII Sachgeb. F Abschn. III Nr. 7 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990, BGBl. I S. 889). Dies belegt zusätzlich die Billigung der in der KSVGDV getroffenen Definitionen durch den Gesetzgeber.

 

Der Verordnungsgeber ist weitgehend einer Ordnung nach Vermarkter-Sparten gefolgt. Er hat dabei dem Bereich Wort in § 2 Abs. 1 KSVGDV einen weiten Begriff der Publizistik zugrunde gelegt und ihm in Nr. 5 ausdrücklich auch Bildjournalisten und Bildberichterstatter zugeordnet. Nicht erwähnt hat er die Tätigkeit des Pressefotografen. Da aber Pressefotografen durch ihre Bildbeiträge in vergleichbarer Weise wie Bildjournalisten und Bildberichterstatter an der bildlichen Gestaltung von Zeitungen und Zeitschriften mitwirken und es auf die gleichzeitige Lieferung von Textbeiträgen nicht ankommt, werden Pressefotografen von § 2 Abs. 1 KSVGDV ebenfalls erfaßt, sei es durch einen weiten, sich auf Pressefotografen erstreckenden Begriff des Bildjournalisten (so der Künstlerbericht, BT-Drucks. 7/3071, S. 7) oder durch das Ausweichen auf eine dem Bildjournalismus „ähnliche selbständige publizistische Tätigkeit im Bereich Wort“ (§ 2 Abs. 1 am Ende KSVGDV). Die unterschiedlichen Berufsbezeichnungen Bildjournalist, Bildberichterstatter und Pressefotograf sind nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach der Verkehrsanschauung vielfach nur synonym verwandte Begriffe für ein einheitliches Berufsfeld (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 1, Mannheim 1976, S. 389, 390 und 1993, S. 532, 533).

Die Pressefotografie kann nicht, wie es die Beklagte vertritt, dem Bereich künstlerische Fotografie, Lichtbildnerei, Foto-Design und Werbefotografie (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 KSVGDV) zugeordnet oder dem als ähnliche selbständige künstlerische Tätigkeit (§ 2 Abs. 2 am Ende KSVGDV) gleichgestellt werden. Während bei der Pressefotografie das Abbilden von Personen, Gegenständen und Vorgängen der Zeitgeschichte mit tagesaktueller Bedeutung und der Nachrichten-, Informations- und Dokumentationswert des Bildes im Vordergrund stehen, der künstlerische Aspekt, falls er überhaupt vorhanden ist, aber nur von untergeordneter Bedeutung ist, liegt bei der künstlerischen Fotografie der Schwerpunkt auf der Gestaltung eines Fotos nach künstlerischen Gesichtspunkten (z.B. Ausdruck, Komposition, Licht, Perspektive, farbliche Gestaltung), während die vorrangigen Maßstäbe der Pressefotografie in der Regel nebensächlich sind, sofern sie überhaupt eine Rolle spielen. Im Einzelfall mögen die Grenzen fließend sein. Grundsätzlich ist aber eine - auch für die Praxis handhabbare - Unterscheidung zwischen Pressefotografie und künstlerischer Fotografie möglich. Bei Fotos von Bildjournalisten, Bildberichterstattern und Pressefotografen kann vermutet werden, daß es um Publizistik i.S. des § 2 Abs. 1 KSVGDV geht, auch wenn im Einzelfall ein Pressefoto künstlerischen Qualitätsansprüchen genügt. Untermauert wird diese Vermutung, wenn der Auftrag für eine Fotoserie oder ein einzelnes Foto von einem Zeitungs- oder Zeitschriftenverlag oder einem Bilderdienst stammt. Ebenso kann bei Fotos von Fotografen, die üblicherweise nicht als Pressefotografen arbeiten und einen künstlerischen Anspruch erheben (künstlerische Fotografen), vermutet werden, daß diese Fotos zur bildenden Kunst nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 KSVGDV gehören. Die Vermutung wird verstärkt, wenn der Auftrag von einem Unternehmen stammt, das nicht zum Bereich der Tages- oder Wochenpresse zählt (z.B. Kunstverlage, Werbeunternehmen, Werbeabteilungen von Industrieunternehmen, Museen, Galerien). Diese Grenzziehung kann und soll es nicht ausschließen, Fotografien des Bildjournalismus nach künstlerischen Kriterien zu bewerten und unter diesem Gesichtspunkt in Ausstellungen usw. dem Publikum zugänglich zu machen. Die Einstufung eines Pressefotos als künstlerischen Ansprüchen genügendes Werk beruht in der Regel auf einer nachträglichen Wertung, während es für die Einstufung einer Fotografie als bildjournalistisches (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 KSVGDV) oder der bildenden Kunst zugehöriges Produkt (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 KSVGDV) auf den Zeitpunkt der Herstellung der Fotografie ankommt.

Die Wertung des Bildjournalismus und der Pressefotografie als Formen journalistischer Tätigkeit steht auch nicht im Widerspruch zu deren Erfassung im Künstlerbericht der Bundesregierung unter der Rubrik „bildende Kunst/Design“ (BT-Drucks. 7/3071, S. 7). In der Begründung zum ersten Regierungs-Entwurf des KSVG wurden als Grundlage für die gesetzgeberische Arbeit neben dem von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Künstlerbericht ähnliche Untersuchungen für Publizisten angesprochen (BR-Drucks 410/76, S 13). Gemeint war der „Autorenreport“, der durch einen Schriftstellerverband veranlaßt und von privater Weise finanziert worden war (Fohrbeck / Wiesand, Der Autorenreport, 1972). Untersuchungsobjekt der sog Autoren-Enquete, deren Ergebnisse die Hauptgrundlage des Autorenreports bilden, waren die freie Autorentätigkeit und die Personen, die sie ausüben. Als Autoren oder Wortproduzenten wurden daher alle Personen definiert, die Wortbeiträge liefern, ohne daß diese im Rahmen eines festen Anstellungsverhältnisses vergütet werden (Fohrbeck / Wiesand, a.a.O. S. 29), und zwar einschließlich derjenigen, die sich neben- oder teilberuflich, d.h. neben einer in Voll- oder Teilzeitarbeit ausgeübten anderweitigen Berufstätigkeit, publizistisch betätigen. Der Gesetzgeber wollte an diese Untersuchungen anknüpfen und alle im Bereich Wort tätigen Autoren in das KSVG einbeziehen (BR-Drucks. 410/76, S. 13, BT-Drucks. 8/3172, S. 21 und 9/26, S. 18). Dem entsprach es, daß der Künstlerbericht - abweichend vom Auftrag des Bundestages (BT-Drucks. 6/2081, S. 2) - zwar nicht mehr auf die zu den Wortautoren rechnenden Journalisten, zu denen sich bereits der Autorenreport geäußert hatte, wohl aber auf die Bildjournalisten sowie die journalistisch tätigen Kameramänner eingegangen war (BT-Drucks. 7/3071, S. 5, 7). Er hatte diese also als „Künstler“ behandelt, obgleich jedenfalls der Schwerpunkt ihrer Arbeit darin liegt, durch die Bildberichterstattung über weite Kreise interessierende Themen an der Gestaltung des geistigen Inhalts publizistischer Medien mitzuwirken, wie die Wortbeiträge liefernden Journalisten auch (Schmidt, ZfS 1988, 161, 164 f.). Die Behandlung des Bildjournalismus unter dem Stichwort „bildende Kunst/Design“ besagt jedoch nichts darüber, ob dies kunsttheoretisch zutrifft oder gar der Haltung der Bundesregierung und des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung als Mitglied der Bundesregierung entspricht. Im Künstlerbericht heißt es dazu (BT-Drucks. 7/3071, S. 6): „Bei der Abgrenzung des Personenkreises, der unter dem Begriff „Künstler“ in diesem Bericht erfaßt ist, wurde auf jegliche kunsttheoretische wie auf jede wertende Betrachtung verzichtet, vielmehr wurde - ausgehend von dem weitgehend sozialpolitischen Anliegen der Berichterstattung - ein möglichst umfassender Begriff zugrunde gelegt, der nicht nur eindeutig künstlerische, sondern auch damit verwandte Tätigkeitsbereiche umfaßt.“ Eine bewußte Einstufung der Pressefotografie als eine der zahlreichen Formen bildender Kunst in Abgrenzung zur Publizistik war mit der Abhandlung des Bildjournalismus im Künstlerbericht der Bundesregierung somit nicht verbunden. Von der Sache her wäre eine solche Einstufung, wie oben ausgeführt, auch fehlerhaft gewesen.

 

Der angefochtene Bescheid erweist sich nach alledem schon aus materiell-rechtlichen Gründen als rechtswidrig. Der Senat brauchte daher nicht zu entscheiden, ob der Bescheid auch deshalb rechtswidrig und damit aufzuheben ist (BSG SozR 1300 § 45 Nr. 39 m.w.N.; ständige Rechtsprechung), weil es hier an einer nach § 36a KSVG i.V.m. § 45 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) grundsätzlich erforderlichen Ermessensausübung der Beklagten fehlt oder ob § 45 SGB X im Bereich des KSVG bei auf Betriebsprüfungen beruhenden, von den Meldungen der Abgabepflichtigen abweichenden Neufeststellungsbescheiden zur Höhe der Abgaben und den entsprechenden Nachforderungen unanwendbar ist und deshalb auf eine Ermessensausübung verzichtet werden kann (verneinend der 10. Senat des BSG, Urteil vom 12. Februar 1992 - 10 RAr 6/90 - BSGE 70, 117 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 11 zum vergleichbaren Fall der Umlageberechnung zur Produktiven Winterbauförderung).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.